Liebe
Unter einer Jungfrau versteht man im allgemeinen Sprachgebrauch eine Frau, die noch nie einen Geschlechtsakt gehabt hat, also unbefleckt ist, wie es auch heißt - für ein junges Mädchen ein völlig natürlicher Zustand. Bei einer Frau, an der, sagen wir einmal, über zwanzig oder dreißig Lenze vorbeigingen, ohne dass sie jemals mit einem Mann geschlafen hätte, ist dies unnatürlich. Es gibt allerdings Menschen, denen man das Jungfrausein selbst im hohen Alter nicht nur nachsieht, sondern deswegen sogar besondere Ehre zuteil werden lässt: Klosterfrauen, die sich einem zölibatären Lebenswandel verpflichtet haben. Die höchste Form dieses Keuschheitsideals verkörpert nach christlicher Auffassung die Jungfrau Maria, deren unbefleckter Empfängnis Jesus Christus entstammt.
Aus vergangener Zeit erreicht uns aber auch noch ein anderes Bild von Jungfrauen: von solchen, die in Tempeln lebten und in der Kunst der Liebe ausgebildet waren. Zu ihnen gingen Männer, um dort höchste sexuelle Befriedigung und Erfüllung zu erlangen.
Ein(e) Jungfraugeborene(r) trägt all diese Spielarten des Jungfrauseins in sich. Zunächst verhält er/sie sich der Liebe gegenüber tatsächlich wie pubertierende Vierzehnjährige, die zum ersten Mal eine Packung mit Präservativen sehen. Alles, was mit Sex, Liebe, Nacktheit, Vereinigung, Verhütung, Kindermachen und -bekommen zu tun hat, löst viele Ahs, Ohs und Ihs aus. Das heißt um Gottes willen nicht, dass Jungfrauen prüde wären. Im Gegenteil! Aber sie begegnen der Liebe mit einer Mischung aus Unschuld, Naivität und Kindlichkeit. Egal, wie oft eine Jungfrau schon verliebt war, für sie ist es jedesmal wieder wie das erste Mal. Und gleichgültig, mit wie vielen Männern bzw. Frauen sie schon im Bett war, immer wieder zelebriert sie es, als handele es sich um ihre absolute Liebespremiere. Das ist das Reizende an ihr, sie bleibt innerlich jung, frisch, verliebt wie ein Backfisch - selbst wenn sie hundert Jahre alt werden sollte.
Vor einiger Zeit verfasste ich einen astrologischen Beitrag für eine Frauenzeitschrift. Anhand einer Tabelle konnten die Leserinnen ihre eigene Venusposition herausfinden. Aus Platzgründen reichte die Tabelle nur bis zum Jahr 1950. Man bot aber den älteren Leserinnen an, sie könnten sich beim Verlag - und damit bei mir - ihre Venusposition berechnen lassen. Es kam eine wahre Flut von Anfragen, darunter auch von Damen, die bereits über achtzig Jahre alt waren. Neugierig geworden, stellte ich eine kleine Statistik auf: Von den Leserinnen, welche ihre Siebzigerjahre bereits hinter sich gelassen hatten, waren genau die Hälfte Jungfraugeborene !
Im ungünstigen Fall kann einem diese ewige Jungfräulichkeit allerdings auch ganz schön auf die Nerven gehen, beispielsweise dann, wenn man Intimität, Hingabe und Leidenschaft bei ihr sucht und immer wieder wie am Anfang steht.
Während es - darauf würde ich wetten - unter Jungfraugeborenen bestimmt nicht mehr echte Jungfrauen gibt als unter den anderen elf Tierkreiszeichen, existieren unter ihnen unverhältnismäßig viele, die keine eigenen Kinder haben. Das bedeutet nicht, Jungfrauen seien keine guten Väter oder Mütter. Es besagt nur, dass sie offenbar einen geheimen Plan erfüllen, nämlich sich nicht durch Vater- oder Mutterpflichten von ihren eigentlichen Aufgaben zu entfernen, die da lauten: allzeit bereit und offen zu sein und dem Höheren zu dienen! Sie übernehmen hingegen gern den Nachwuchs anderer Leute. Ich kenne zig Jungfrauen, die Kinder adoptiert oder einen Partner gewählt haben, der bereits Kinder hatte. Damit ist die Jungfrau wieder im Plan, sie greift eine Aufgabe auf und löst sie praktisch. Jungfrauen, die selbst Kinder in die Welt setzen, tun dies oft nicht für sich, sondern für ihren Partner, ihre Eltern oder ihre Schwiegereltern.
Jungfrauen bekommen zuweilen tatsächlich auch Sprösslinge, die zumindest vom Muster her an die Heilige Jungfrau Maria erinnern: Das Baby ist etwa gezeugt von einem Mann, den sie nur einmal kurz gesehen haben, vielleicht sogar lediglich während dieser alles entscheidenden Liebesnacht. Oder sie verbinden sich mit einer Frau, die bereits von einem anderen Mann schwanger ist.
Sex
Kommen wir jetzt zu jenen bereits erwähnten geheimnisvollen Tempelfrauen, Liebesdienerinnen und -künstlerinnen, die in jeder Jungfrau schlummern. Aus der fernen Vergangenheit weiß man wenig: Bruchstücke von Informationen, mehr Mythen als Fakten. Immer geht es dabei um Frauen, die verpflichtet waren, der Liebe zu dienen. Männer, die Zugang zu diesen Tempeln hatten, wurden wohl aufs köstlichste bedient. Sie erfuhren unvorstellbare Wonnen, Badeorgien, Eßgelage, Massagen, Liebesfeste, Verkehr mit mehreren Frauen zugleich
Was sich aus der Vergangenheit nur wie ein Gerücht erhalten hat, wurde in der Seele allerdings sehr viel gründlicher aufbewahrt und weitergegeben. Wer die tieferen Schichten seiner Psyche bereist, findet auch diesen Aspekt der Liebesdienerin und -göttin. Sie schlummert in jedem Menschen, ist jedoch bei Jungfrauen besonders ausgeprägt.
In der Praxis sieht das so aus, dass die Vertreter dieses Tierkreiszeichens mehr als alle anderen an Liebestechniken interessiert sind - allerdings, das muss betont werden, nicht an seelenloser Nummernakrobatik. Vielmehr praktiziert die Jungfrau beim Liebesspiel das gleiche, was sie auch sonst im Leben versucht: ihre Emotionen zu kontrollieren, dieses Mal aber nicht, um sie zu unterbinden, sondern zu kultivieren. Die Jungfrau macht Liebe und lernt dabei, es immer besser zu tun, weil sie ihren jungfräulichen Controlletti niemals ganz ausschaltet: Sie spürt mit, ist aufmerksam, fällt nicht in einen schier bewusstlosen Sinnestaumel. Es ist so, als würde sie ein wunderschönes Instrument zu spielen lernen, so, als ginge sie in eine Liebesschule. Neugierig wie ein Kind studiert sie ihren Körper und den des geliebten Partners, experimentiert und versucht herauszufinden, in welchen Körperregionen die Stimulation am meisten Spass macht und Lust bereitet.
Ihre eigene empfindlichste Stelle ist der Bauch - vom Unterleib bis zur Brust. Streicheln oder zarte Berührungen mit den Lippen, der Zunge, mit Haaren oder Federn und Küsse auf den Bauchnabel machen es selbst einer Jungfrau schwer, nicht in Liebesekstase zu geraten. Eine kreisende Massage des Bauchs mit Schwamm und Seife jagt ihr wohlige Schauer über den Rücken. Überhaupt sind Dusche oder Badewanne der richtige Ort, um das erotische Spiel mit der Jungfrau zu beginnen, denn diese Adams und Evas sprechen auf alles an, was mit Sauberkeit und Reinlichkeit zu tun hat. Festbeleuchtung beim Liebesakt ist allerdings nichts für sie. Jungfrauen stehen und lieben auch nicht gern im Rampenlicht. Gedämpfter Kerzenschein in Schlaf- und Badezimmer und sanfte Musik bilden den richtigen Rahmen für sinnliche Stunden.
Dann studieren sie akribisch und scheinbar leidenschaftslos die verschiedensten Stellungen, probieren neue Stimulationen aus, spielen mit ihren Händen, ihren Lippen, ihrer Zunge. Alles wollen sie kennen lernen. Typische Jungfrauen haben allesamt das Zeug zum Tantriker, sie lieben Techniken, wie sie im Kamasutra beschrieben sind. Sie glauben, dass Liebe und Sexualität nicht nur dafür geschaffen wurden, um Nachfahren in die Welt zu setzen. Sie sind überzeugt, dass durch Liebe ein höherer Zustand von Bewusstheit erreicht werden kann. Sind das nicht wundervolle Voraussetzungen, um mit einer Jungfrau Liebe zu machen?
Treue
Die Jungfrau ist bei weitem nicht so treu, wie man eigentlich erwarten dürfte, wenn man mit dem Wörtchen Jungfrau spielt: Denkt nicht jeder an einen Unschuldsengel, der unverbrüchlich und standhaft zu seinem Partner steht? Von wegen! Einer typischen Jungfrau gegenüber kann man gar nicht misstrauisch genug sein. Es ist nicht so, dass sie ihren Partner belügen würde, wenn sie Treue schwört. Sie meint es schon so! Aber sie hat es auch wieder vergessen, sobald sie eine andere Gelegenheit ahnt. Die Jungfrau in Reinkultur hat kein Standvermögen - weder im sonstigen Leben noch bei der Liebe.
Man kann das Schwäche, Opportunismus, Wankelmut oder wie auch immer nennen. In Wirklichkeit ist es ihr Naturell, mit den Gegebenheiten zu fließen. Sie ist heute mit ihrem Partner ein Herz und eine Seele, öffnet sich, gibt sich ganz dieser Beziehung hin. Trifft sie morgen einen anderen Menschen, von dem sie sich geliebt fühlt, blüht sie in dieser Liebe auf. Ich kenne viele Partner von Jungfrauen, die an diesen unschuldigen, liebevollen - liebestollen - Geschöpfen schier verzweifeln.
Eifersucht
So leicht die Jungfrau sich selbst in ein Liebesabenteuer begibt, so empfindlich reagiert sie, wenn ihr Partner mit anderen herumtändelt. Mit leidenschaftlichen Eifersuchtsszenen nach Art der Sizilianer, bei denen schon mal Porzellan zu Bruch geht, wird sie sicher nicht reagieren. Sie wird herumnörgeln, kritisieren und sich sogar bis zum Verfolgungswahn über das Verhalten ihres Partners aufregen. Denn Untreue kratzt an ihrem ohnehin nicht sehr stabilen Selbstbewusstsein.
Da sie um die Vergänglichkeit und Endlichkeit des Lebens weiß, löst ein geliebter Mensch, der vielleicht mit anderen nur ein bisschen herumflirtet, um sie, die Jungfrau, aus der Reserve zu locken, bei ihr gleich regelrechte Verlustängste aus. Geht ihr Partner fremd (oder spielt er auch nur mit dem Gedanken daran), sucht die Jungfrau auch immer die Schuld bei sich selbst - und leidet.
Doch letztlich ist sie zu intelligent und zu praktisch veranlagt, um Märtyrer zu sein. Wenn ihr Partner Absprachen wiederholt verletzt, siegt ziemlich schnell ihre Vernunft, und sie handelt nach dem Motto: Wie du mir, so ich dir! Und schließlich wird sie auch irgendwann einmal sagen: Na, dann eben nicht
Flirt
Die typische Jungfrau ist im Grunde sehr schnell zu verführen und regelrecht pflegeleicht. Ein bisschen umworben, einmal schöne Augen gemacht - und schon scheint sie förmlich dahinzuschmelzen, denn sie glaubt ja selbst so wenig an sich. Was man ganz sicher nicht tun darf, ist, sie zu kritisieren. Denn das tut sie ja selbst schon bis zur Schmerzgrenze.
Beweisen Sie einer Jungfrau die Freundschaft, bevor Sie versuchen, sie zu verführen. Zeigen Sie, dass Sie nicht nur herumtändeln wollen, sondern es ernst meinen. Und kommen Sie bitte nie zu spät zu einer Verabredung.
Ansonsten stellt sie wie gesagt keine großen Ansprüche. Wohltemperierte Mittellage ist ihr am liebsten. Auch später, wenn es zu einer Beziehung gekommen ist, braucht sie jeden Tag ihren Kuss und einen Partner, der sie freundlich anlächelt, wenn man sich morgens sieht, will hören, dass sie ein toller Mensch ist, und besteht in schöner Regelmäßigkeit auf ihrem Sex - nicht zuviel, nicht zuwenig. Sie will keinen Partner, der sie mit Liebkosungen zudeckt und beim Liebesakt vor Lust so röhrt, dass die Nachbarn an die Wand trommeln. Ebenmäßigkeit hebt ihr Lebensgefühl, übertriebene Liebe genau wie Gleichgültigkeit töten ihre Lust.
Ihr Partner sollte Ordnung und Sauberkeit verbreiten, das macht sie froh. Dass die Jungfrau - wie schon erwähnt - ein recht gebrochenes Verhältnis zu diesen Sekundärtugenden hegt, ist dabei kein Widerspruch: Sie selbst kann im Chaos leben, aber von ihrem Partner erwartet sie Zuverlässigkeit und Ordnung und vor allem Pünktlichkeit; sie haßt es, wenn sie warten muss.
Große Augen kriegt sie, wenn man sie verwöhnt. Man überrasche sie mit einem Geschenk oder mit einer besonderen Sextechnik! Aber man muss diese Mittel sparsam einsetzen, damit es ihr nicht zuviel wird.
Abstand vom Alltag schaffen, notfalls auch mit sanfter Gewalt herbeigeführt, gehört zu den wichtigsten Aufgaben ihrer Partner. Denn die Jungfrau hat die Arbeitsmoral eines Bienengeschwaders und gönnt sich selbst nur unzureichende Phasen der Entspannung. Das bedeutet hinwiederum auch Schwerstarbeit für den Partner. Deshalb ist jede List erlaubt, um sie vom Arbeitsplatz wegzulotsen. Denn dass auch noch jenseits von PC, Hobbyraum und Küche eine Menge andere Vergnügen und Frohsinn warten, merkt die Jungfrau erst, wenn dies alles außer Reichweite ist. Weise Jungfraubegleiter verbieten daher ihren Partnern ein Handy, damit sie wenigstens im Urlaub und beim Wochenendtrip zur Ruhe kommen.
Last, not least sind Jungfrauen Eigenbrötler. Sie haben ihre Gewohnheiten, ihren Rhythmus und ihr Tempo. Man tut gut daran, das zu respektieren. Denn die Jungfrau gibt zwar um des lieben Friedens willen nach, wenn es zu einem Konflikt kommt, aber sie registriert jeden Verzicht, den sie leisten muss, und irgendwann ist das Maß voll - und die Jungfrau auf und davon bzw. bei einem Menschen, der ihr gegenüber scheinbar toleranter ist.
Angenommen, man sitzt in einer Bar und bemerkt einen Mann mit einem Rotweinglas in der Hand. Er gefällt sich offensichtlich in der Rolle des distanzierten Beobachters. Die Blicke treffen sich zwar öfters, doch ist er nun interessiert oder nicht? Erst wenn man sich fast schon abwenden will, kommt er auf einen zu und eröffnet das Gespräch mit den Worten: Finden Sie nicht auch, dass der Rotwein zuviel Säure hat? Jetzt weiß man, dass man einem Jungfraumann gegenübersteht. Nun braucht er ein bisschen Ermunterung. Er lässt sich ja gern verführen. Aber man gebe ihm nie das Gefühl, man wolle ihm die Zügel aus der Hand nehmen. Das kann er nicht ausstehen (denn er fühlt sich innerlich ohnehin unterlegen).
Dieses Beispiel könnte ohne weiteres auch mit vertauschten Rollen so ablaufen, also mit einer Jungfrau-Eva. Es beweist, dass Flirten nicht die Königsdisziplin von Jungfraugeborenen ist. Sie zeigen sich dabei eher ungeschickt, und sie sind endlos dankbar für jede erdenkliche Hilfe. Eins muss allerdings noch hinzugefügt werden: Mit ein bisschen Alkohol ist schon aus so mancher schüchternen Jungfrau ein wahrer Meister geworden. Alkohol enthemmt sie - aber in aller Regel nie so sehr, dass sie gleich völlig die Kontrolle verliert