Das meine ich mit "kopierten leben"...mir ginge es auch so wie diesem Typen hier, lies ma weiter unten, is markiert.
Ich habe immer wieder Depressionsschübe und kann nichts dagegen machen. Lauter Zweifel und Nicht-Genügen.
So ist das Leben, wa ?
Grüssle Bea
Ein dürrer, kleiner Ikea-Verkäufer mit lichten, roten Haaren
und großer Nase tippt mich an. Lieber Gott, danke dir,
dass ich nicht so aussehe!
Kann ich Ihnen helfen?
Kann er nicht. Es sei denn, Ikea hätte das Rasierklingen-
Set Suizöd im Programm oder den Strick Hängan. Ich weiß
auch nicht wirklich, warum und wie lange ich vor dem Karlanda-
3er-Sofa mit Anbauelementen gestanden habe.
Ebenso ist es mir ein Rätsel, warum ich überhaupt hier bin:
Schließlich gibt es für einen Single nichts Ungeeigneteres,
als einen verregneten Oktobersamstag bei Ikea zu verbringen.
Das ist garantiert auch der Grund, warum man dort
keine Singles sieht. Keinen Einzigen! Glückliche Pärchen
mit und ohne Kind ziehen feixend ihre Runden und diskutieren,
ob der Gullholmen-Schaukelstuhl zum Sofa Ektorp
passt oder nicht. Passt er nicht, möchte ich schreien, genauso
wenig wie ihr mir in den Kram passt mit euren biederen
Markenpullovern und eurer stinklangweiligen Standardfamilie
Vörort.
Nirgendwo auf der ganzen Welt wird einem Single sein
ganz persönliches Scheitern konzentrierter und kaltblütiger
vor Augen geführt als bei Ikea. Und zwar auf ganzer
Linie. Ikea, das ist kein Einrichtungshaus, das ist ein aus-
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geklügelter, skandinavischer Lehrpfad des Versagens, der
durch das eigene Nichts direkt zu einer der dreißig gelbblauen
Kassen führt.
Wohnzimmer. Zusammen sein. Mit Ihren Freunden oder
Ihrem Schatz. Rumms! Voll in die Fresse. Zusammen sein?
Mit wem? Ich hab nur einen Freund, und der ist wehleidig
und fett. Und einen Schatz hab ich schon gar nicht und deswegen
auch keinen Bedarf an einem Dreisitzer. Danke
schön!
Schlafzimmer. Liebesnest. Tummelplatz. Schmuseecke.
Ein Ort zum Beisammensein. Zum Glücklichsein.
Ich sehe die Schlagzeile in der Bild-Zeitung schon vor
mir: Massaker in Werbeagentur frustrierter Single tötet
zehn Ikea-Katalogtexter mit Bratpfannenset Bruzzlon.
Textest du noch, oder stirbst du schon? Vielen verschissenen
Dank. Meiner Meinung nach sollten Singles nur in
Begleitung von Freunden oder professionellen Therapeuten
zu Ikea. Ich jedenfalls war zum letzten Mal hier. Zwanzig
verdammte Kilometer bin ich gefahren, nur um was zu finden,
in das man sich setzen kann, wenn man mal keinen
Bock auf Stehen oder Liegen hat. Dann endlich sehe ich
den Sessel, den ich mitnehmen wollte.
Ein Musterpärchen, das ich von Seite zehn des aktuellen
Katalogs zu kennen glaube, lässt sich lachend auf das Ledersofa
Liegan fallen und schmust doof herum. In genau
dieser Sekunde wird mir wieder bewusst, dass ich mich bereits
in Singlephase vier befinde.
Singlephase eins:
Frisch getrennt und voller Lebensmut meldest du dich
wieder bei deinen fast vergessenen Saufkumpanen, nur um
festzustellen, dass die inzwischen ganz andere Interessen
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entwickelt haben. Interessen fernab von Becks und Frauen
aufreißen. Logisch. So hast dus ja auch gemacht, als du
noch eine Freundin hattest. Weil sie Mitleid haben, darfst
du natürlich gerne vorbeikommen, zum gemütlichen Fernseh-
Abhängabend. Aber natürlich hast du keine Lust, Erdnuss
knabbernd zuzuschauen, wie Thomas Gottschalk
seine achttausendste Saalwette vorliest, während das
Wohnzimmer gerade in Schatzi-Schatzi-Harmonie absäuft.
Deine Ex wird das neue Feindbild. Du gibst ihr die Gesamtschuld
für das Scheitern der Beziehung, informierst
Freunde, Bekannte und alle Boulevardmagazine. Und dann
gibst du Gas. Du meldest dich im Fitnessclub an, gehst bis
in die Puppen aus und könntest jede haben. Willst du aber
nicht. Noch nicht!
Singlephase zwei:
Du findest das Leben sensationell und voller Möglichkeiten.
Du warst schon zwei Mal in deinem neuen Fitnessclub
und bist im Aerobic-Kurs kurz davor, den Basic
Step zu erlernen. Natürlich siehst du immer noch aus wie ein
Calvin-Klein-Model nach vier Wochen Bahnhofstrich,
freust dich aber schon auf deine einzeln definierten Bauchmuskeln,
die du im Supermarkt immer auf den Mens-
Health-Covern sehen musst. Wie du hörst, hat deine Ex
auch noch keinen neuen Partner. Du schaust dich inzwischen
vorsichtshalber schon mal nach einer Neuen um
wäre doch zu blöd, wenn du NACH deiner Ex Erfolg hättest.
Singlephase drei:
Du HAST nach deiner Ex Erfolg. Man hat sie zusammen
gesehen, und angeblich ist er sehr muskulös. Du kämpfst
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immer noch mit dem Basic Step und wünschst dir, dass mal
ein paar scharfe Frauen in den Kurs kämen. Tun sie aber
nicht. In deinem Übereifer hast du nämlich übersehen, dass
du einen Zweijahresvertrag im beliebtesten Gay-Fitnessclub
der Stadt unterzeichnet hast. Du buchst einen wahnsinnig
teuren Urlaub in einem Single-Ferienclub und
glaubst doch tatsächlich, dass du dort auf alle Fälle mal
zum Zuge kommst. Insgeheim schiebst du eine tierische
Angst, dass du der Einzige sein wirst, den Air Berlin ungevögelt
nach Köln zurückfliegt. Natürlich glaubst du noch
an deinen Erfolg, wo du doch so ein klasse Typ bist. Die
Frauen können ja nicht total bescheuert sein.
Singlephase vier:
Die Frauen SIND total bescheuert. Fakt ist, sie interessieren
sich einen Dreck für dich, was vor allem daran liegt,
dass du bei jeder halbwegs attraktiven Frau zehn verschiedene
Sex-Stellungen im Kopf durchgehst und man das natürlich
sofort sieht. Das Wort ... steht auf deiner Stirn.
In 1000 Punkt Times New Roman mit diversen Leuchteffekten.
Du bekommst weltweites Hausverbot bei Ikea, weil
du ein Pärchen von einem braunen Ledersofa gezogen und
gezwungen hast, alle Plastikbälle aus dem Kinderparadies
zu essen. Wie gesagt, das ist MEINE Phase. Ach ja, und
Singlephase fünf:
Du gehst wieder recht gerne in deinen Schwulenfitnessclub.
Doch dazu wird es nicht kommen!
Ich bemerke, dass der langnasige Verkäuferzwerg immer
noch neben mir steht.
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Sie möchten sich setzen?
So sieht ... Und zwar bequem!
Dachten Sie eher an einen Zwei- oder Dreisitzer?
Hallo? Steht eine glückliche Familie neben mir mit einer
Wir möchten uns mit Papa setzen!-Banderole?
Ich dachte eher an etwas, auf das ich mich alleine setzen
kann, wenn ich weder stehen noch liegen möchte, wissen
Sie?
Alles klar. So ne Art Single-Sessel, was? Die haben wir
hier
Ich werde eine E-Mail an die Konzernleitung schreiben
und sie auffordern, diesen zu kurz geratenen Aushilfs-Pinocchio
fristlos zu feuern. Zuvor allerdings, so informiert
mich Zwerg Zwergan, soll ich mir das Regal 30 C merken,
denn dort sei mein Single-Sessel. 30 C. Warum schreibt er
mir das nicht auf einen Zettel? Sind doch nur zwei Ziffern
und ein Buchstabe!
30 C!
Ich sehe überhaupt nicht ein, warum ich mir das merken
soll. Es gibt wichtigere Informationen als die, wo ein Sessel
steht. Hat dieses besoffene Schwedenpack überhaupt eine
Ahnung davon, wie viele Zahlen ich mir schon merken
muss? Meine Hausnummer, meine Kontonummer, mindestens
fünf Internet-Passwörter und dann noch die Telefonnummer
von Flik. Entschieden zu viel. Was ist, wenn ich
heute Abend meine Traumfrau treffe und wenn die mir ihre
Telefonnummer gibt und ich sie mir nicht merken kann,
weil diese völlig unnötige 30 C-Information wertvollen
Speicherplatz blockiert? Eine Katastrophe! Und was mache
ich mit dieser 30 C, wenn ich meinen Sessel gefunden habe?
Schicke ich sie an das Archiv des nutzlosen Wissens? Gibt
es so ein Archiv? Ganz bestimmt nicht! Deswegen sage ich:
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Ich weigere mich, mir die 30 C zu merken!
Meine Forderung unterstütze ich, indem ich auf den Verkaufstresen
Tresan poche und ergänze: Schreiben Sie mir
die Nummer bitte auf!
Aber Sie haben sie sich doch schon gemerkt, poltert
der dreiste Zwerg zurück und wagt es sogar, sich einfach so
abzuwenden, ohne mir noch einen schönen Abend zu
wünschen. Egal, ich hätte sowieso keinen schönen Abend.
Deutschland geht den Bach runter, wenn man mich fragt.
Und Schweden sowieso. Stinksauer mache ich mich auf den
Weg ins Mitnahmelager. 30 C!
Es ist schon fast dunkel, als ich meinen neuen, flach verpackten
Single-Sessel aus meinem gelben Peugeot 205 lade.
Wirklich gelb ist er nicht, der Peugeot, eher landratsamtmetallic,
also mit einem Spritzer Müllabfuhrorange. Der Single-
Sessel hingegen ist eierschalenfarben. Mühsam schiebe
ich das Paket in den Eingangsbereich meines Apartmentblocks.
Die Lifttüre steht offen, fast so, als erwarte mich jemand.
Das ist natürlich Unsinn. Auf mich wartet nämlich
keine ... Ich fahre hoch, schließe die Tür zu meiner überteuerten
Zweizimmerwohnung auf, knipse das Licht an
und schleppe mich mitsamt Sessel über das verkratzte Parkett
in mein Wohnzimmer. Ich bin immer noch total angepisst,
dass ich mir die 30 C gemerkt habe! Ich reiße mehrere
Meter Plastik vom Sessel und kiloweise Pappe und werfe
sie auf meinen Balkon. Dann zünde ich mir eine Kippe an
und schalte meinen 3000-Euro-Flachbild-Plasmafern seher
ein, in der Hoffnung, dass ich über die Nachrichten die beknackte
Regalnummer vergesse. 30 C! So ein Scheiß! Während
Peter Kloeppel verkündet, dass sich der Zoo in San
Diego über Delphinnachwuchs freut, lasse ich mich in
meinen Jennylund-Sessel fallen. Seltsamer Name für einen
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Sessel. Wahrscheinlich ist das mal wieder der Name der
Designerin. Bei Jennylund könnte das gut sein. Obwohl:
klingt eher nach einer billigen Pornodarstellerin. Sitze ich
auf einem Pornosessel? Ich streiche über die Lehne.
Jenny Schlund, du geile ...
O ja, Simon, besorgs mir!
Vielleicht hatte ich ja doch zu lange keinen Sex mehr. Ich
sollte ausgehen, ein nettes Mädel kennen lernen und eine Familie
gründen. Am besten noch heute Abend! Ein plötzliches
Gefühl von Leere und Einsamkeit wabert mir entgegen.
Ich versuche auszuweichen, aber das Gefühl hat mich schon
umhüllt. Aber wahrscheinlich ist das immer so am letzten
Arbeitstag vor dem Urlaub. Ich arbeite im T-Punkt. Das ist
so ein Laden, über den sich alle ständig aufregen. Ich übrigens
auch. Und ich arbeite immerhin dort! Am schlimmsten
sind natürlich die Kunden. Alle? Ja, alle!
Sagen Sie, haben Sie dieses Internet, von dem man jetzt
so viel spricht?
Das tut mir Leid, das letzte Internet hab ich gerade
eben verkauft!
Wissen Sie vielleicht, wann Sie wieder eines reinbekommen?
Schwer zu sagen, morgen kriegen wir eine Ladung Telefonanschlüsse,
vielleicht ist da was bei!
Dann komme ich morgen noch mal?
Das wäre toll. Und am besten, Sie fragen dann direkt
meinen Kollegen, den Herrn Jarck, der ist fürs Internet zuständig!
Danke schön!
Immer gerne.
Wie gesagt: Ich hasse meinen Job. Manchmal glaube ich,
der T-Punkt wurde nur deswegen eröffnet, um mich arme
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Wurst endgültig kleinzukriegen. Aber egal. Morgen Abend
gehts in die Sonne, und bis dahin brauche ich auch keinen
einzelligen Schwachstrullern mehr den Unterschied zwischen
Breitband und Trennwand zu erklären. Ich stelle Peter
Kloeppel lauter und greife nach einer weiteren Prince
Denmark, die ich mir mit einem roten Gasofenfeuerzeug
anzünde. Es ist einer dieser trüben Herbstnachmittage, die
absichtlich schon kurz vor fünf in die Knie gehen, damit
Singles wie ich noch frühzeitiger in ihre Depression schlittern
können. Mein Kumpel Flik behauptet zwar, dass das
nun mal so wäre mit dem Dunkelwerden, wenn es auf den
Winter zugeht, aber ich bin überzeugt, dass die da oben das
absichtlich machen, einfach nur, damit ich mich noch beschissener
fühle. Samstagabende, das sind die schlimmsten,
wenn man alleine ist. Gleich danach kommt der Sonntag
und danach der Freitagabend, der ist auch schlimm. Ganz
besonders, wenn man seit Monaten alleine ist und auf einem
eierschalenfarbenen Ikea-Stuhl RTL aktuell mit Peter
Kloeppel sieht. Nicht mal der ist alleine, denn neben ihm
sitzt eine gewisse Ulrike von der Groeben, die verstehen
sich prima, die beiden. Ja, sie haben sogar gemeinsame Interessen!
Ich habe nämlich schon ein paar Mal gesehen, wie
dieser Kloeppel was zum Thema Sport gefragt hat und die
Frau von der Groeben sich dann total über diese Frage beömmelt
hat und dem Herrn Kloeppel dann alles erzählt
hat. Und dann hat der sich gefreut und sich bedankt! Ein
tolles Paar. Das passt!
(daaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa gruss bea)
Neben mir liegt das Buch Sorge dich nicht, lebe!, das mir
Flik geschenkt hat. Eigentlich eine Frechheit, dass er
glaubt, ich hätte so was nötig. Ich habs fast durch. Inzwischen
weiß ich schon so viel: Ich soll mir nicht so viele Sor-
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gen machen und mehr leben. Und dann steht da noch, dass
man halt grob wissen sollte, wo man hinwill im Leben, und
damit meinen die nicht, dass man weiß, ob man jetzt
bowlen geht oder ins Kino, sondern so die richtigen Dinge
im Leben wie Liebe und Karriere und so. Das Problem
ist nur, dass genau das mein Problem ist und ich nicht weiß,
wo ich hinwill, und dann ist das halt auch mit den Zielen
nicht so einfach. Während ein gelackter Österreicher irgendwas
zum Thema Herbstwetter erzählt, blättere ich vor
zu den Problemlösungsstrategien. Das ist die Stelle, wo
man so Sachen mit Bleistift reinschreiben kann, was ich
auch schon gemacht habe.
Frage eins: Was ist das Problem?
Antwort: Ich hab keinen Bock, meine Ziele aufzuschreiben.
Frage zwei: Was ist die Ursache des Problems?
Antwort: Ich weiß nicht, warum ich das tun sollte, weil
ich keine Ziele habe.
Frage drei: Welche Lösungen sind möglich?
Antwort: a) Ich mach das ein andermal.
b) Ich haue Flik das Buch um die Ohren.
c) Ich baller mir zehn Bier hinter die Binde.
Frage vier: Welche Lösung schlagen Sie vor?
Antwort: c!
(so gehts mir auch *g*)
Ich knipse den Österreicher weg und drücke meine Zigarette
aus. Ganz schön still, so ohne Fernseher. Ich schalte
den Fernseher wieder an, ziehe mein Handy aus meiner
Hosentasche und klicke mich durchs Adressbuch. Das
muss man machen, wenn man selbst nicht mehr angerufen
wird.
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ADAC, Air Berlin, Alexander, Bernd W.
Bernd Weile. Der ist nett, mit dem könnte ich mal wieder
auf die Rolle gehen! Kurz vor dem Wählen fällt mir ein,
dass Bernd in München wohnt und ich in Köln. Mal abgesehen
von der Frage, wer da das größere Pech hat, ist das
entschieden zu weit für ein Bierchen.
Eva, Fabienne, Flik
Ich könnte Flik anrufen, den alten Langweiler. Eben, da
haben wirs ja schon. Was sollte an einem Abend mit Flik
passieren? Nach vier Bieren wird ihm wieder schlecht, und
ich stehe alleine da. Oder er verdirbt sich den Magen an einem
verdorbenen Zwiebelstück auf einer Pizza. Ich klicke
weiter und lande bei meiner letzten Freundin. Oha!
Julia
Was macht die denn noch in meinem Speicher? Und
zack: gelöscht! Ein gutes Gefühl! Selbst wenn ich wollte,
könnte ich sie jetzt nicht mehr anrufen. Es sei denn, ich
fragte Iris nach ihrer Nummer. Hab ich die Nummer von
Iris noch? Gott sei Dank! Man weiß ja nie. Vielleicht sieht
sie ja endlich ein, dass sie einen Riesenfehler gemacht hat
und kommt winselnd zurückgekrochen? Ich will mir mit
der alten Kippe eine neue anzünden, bemerke aber, dass ich
noch gar keine rauche, zünde mir eine an und stecke die
zweite erst mal weg, weil zwei auf einmal rauchen, das geht
nun wirklich nicht. Klick, klick.
Vorbei an der strohdoofen Miriam, die ich nicht lösche,
weil ich bei ihr ab und zu noch einen Pikser machen darf,
klicke ich mich schließlich zur technischen Hotline von
Siemens. Mit Siemens kann man nicht weggehen. Siemens
ist ein multinationaler Mischkonzern, und das ist auch
der Grund, warum man Siemens nicht vögeln kann. Ich
frage mich, was die Nummer in meinem Handy verloren
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hat. Ach ja wegen meiner Kaffeemaschine, die sich seit
dem 1. 1. 2000 nicht mehr auf Zeitversetztes Brühen
einstellen lässt. Ganz gespannt darauf, wer denn nun wegen
dieses unglaublichen Jahrtausendfehlers in Aufzügen
stecken bleibt oder in Flugzeugen abschmiert, war ich natürlich
der einzige Mensch auf der ganzen Welt, den es tatsächlich
getroffen hat. Mit seiner Kaffeemaschine! Klick,
klick.
Kati, Katja, Lala
Lala ist meine kroatische Putzfrau und nicht unbedingt
die erste Wahl für hemmungslose Saufabende. Klick, klick.
Paula, Petra
Von Paula weiß ich, dass sie gerade nicht in Köln ist, und
Petra geht ohne ihren komischen Hund sowieso nirgendwohin.
Klick, klick.
Taxi Köln
Wenn ich einem Taxifahrer einen Fünfzig-Euro-Schein
in seine verspeckte Hemdtasche steckte, würde er bestimmt
ein paar Kölsch mit mir zischen. Ich könnte mich natürlich
auch an der Taxischlange vorbeischleichen und mir eine
scharfe, nymphomane Taxifahrerin aussuchen! Und wenn
wirs dann gemacht hätten, brauchte ich ihr nicht mal ein
Taxi zu rufen, weil sie ihr eigenes ja schon mithätte. Wie
praktisch! Klick, klick.
Ich klicke weiter, als etwas völlig Unerwartetes geschieht.
Mein Handy klingelt. Unbekannter Anrufer
steht auf dem Display. Was ist, wenn das Julia ist, deren
Nummer ich gerade gelöscht habe? Solche Zufälle solls ja
geben! Ich reiße mich zusammen und gehe vorsichtig ran.
Hallo?
Hi! Was machste? Du klingst gestresst!
Ich BIN gestresst! Das Telefon hat geklingelt!
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Es ist Phil Konrad. Der Super-Poser. Mister Hey-ichfühl-
mich-sexy-ich-glaube-da-geht-h eute-was. Mr. Dauerpleite,
der mir noch mindestens zehn Bier schuldet. Und
der ... hat einen gut bezahlten Job bei ner Fernsehproduktion.
Ich darf ja im T-Punkt für einsfünf netto irgendwelchen
trüben Tulpengesichtern verklickern, warum die
Leitung besetzt ist, wenn man schon telefoniert. Fakt ist
aber, dass ich jetzt keinen Bock auf Phil Konrad habe. Er gehört
zu der Sorte Mensch, die es zur wahren Meisterschaft
darin gebracht haben, dass man sich in ihrer Umgebung
stets unbedeutend und uncool vorkommt.
Was machste heute Abend? Ich hab irgendwie das Gefühl,
dass was geht!
Dingdong! Da haben wirs! Will keiner mit ihm weg,
weil er so ein Scheiß-Angeber ist. Du, ich ich steck bis
zum Hals in Arbeit Steuer und so weißt ja, die Sachen
die man immer aufschiebt, und in genau dieser Sekunde
hab ich angefangen! Außerdem flieg ich doch morgen in
den Urlaub!
Wann?
Um 16 Uhr noch was!
Dann kannste doch heute noch mal weg. 16 Uhr ist
doch cool. Also was meinste, um zehn im Pub?
Auf der anderen Seite: Besser als die viertausendste Wiederholung
von Beverly Hills Cop II.
Sagen wir Viertel vor zehn?
Ich kann es ums Verrecken nicht haben, wenn ich die
Zeit nicht bestimmen darf.
Von mir aus! Super. Bis dann! Ich lege auf, ziehe die
Beine auf Jenny Schlund und springe in meinem Sorgenbuch
auf das wichtige Kapitel: Akzeptieren Sie das Unvermeidliche.