oder: Wie aus Sanftmut Visionella wurde.
Eines Nachts, als der der große Zauberer Ruhelos wieder mal durch die Anderswelt wanderte, hörte er eine liebliche Stimme den Sternen ihr Leid klagen. Ein Weilchen lauschte er und tiefes Mitgefühl übermannte ihn, obgleich der Worte, die er da lauschte. So sagte er zu der Stimme, die ihn sofort faszinierte: Verzeih, ich höre deine traurigen Worte. Sag, wer bist du? Kann ich etwas für dich tun? Ich bin Zauberer Ruhlos und wandere durch Zeit und Raum, auf der Suche nach meinen Schicksal
"Ich bin Fee Sanftmut. Aber Zauberer, geh du ruhig deines Weges, es gibt sicher noch viel für dich zu tun in dieser Nacht, antwortete die Fee. Ruhlos aber fühlte, dass Fees Seele schwer zu tragen hat. Auch war sehr angetan von dem Wesen und wollte keinesfalls einfach weiterziehen. Sanftmut, die so süß klingt, möchte er erkunden dürfen. Sanftmut, was für ein schöner Name, ich habe für dich alle Zeit. Wenn du magst, erzähle mir. Gerne würde ich dir helfen dürfen. Sanftmut fühlte die gütige Weisheit dieses Geistes, fasste Vertrauen zu der Stimme voller Sanftheit und begann zu erzählen.
Der Zauberer war tief betroffen, vom dem Leid, welches der Fee widerfahren war. Argen Schmerz hörte er in ihrer Geschichte. Sanftmut sprach sich ihren Kummer von der Seele und mit jedem Wort wurde ihr leichter. Sie konnte die Aufrichtigkeit von Ruhlos fühlen er tat ihrem Herzen gut und es wurde leichter und begann sogar zart zu lächeln. Und er, der Zauberer, fühlte sich wohl wie lange nicht mehr. Er spürte, dass diese klangvolle Stimme in einem eigentlich sehr starken Wesen lebt . Schmerz und Leid hatten der Fee einen Schleier über ihr goldenes Herz und ihren glasklaren Spirit gelegt. Ruhlos sagte zu sich: ich muss ihn heben und helfen, dass des Feechens Seele wieder freudvoll hüpfen kann.
Sie redeten und redeten, Stunde um Stunde verging, die Luft im Äther knisterte und feurige Funken sprangen. Als der Tag sein Kommen ankündigte, kam die Zeit Abschied um zu nehmen. Ruhlos bat Sanftmut, sie möge ihn folgende Nacht erwarten, er würde sie gerne wieder treffen. Sanftmut versprach wie wohl tat ihr die Ruhlos Wärme. Und so trafen sich ihre Stimmen fortan in der Welt zwischen den Welten. Ihr Vertrauen zueinander wuchs und sie gestanden sich, seit der 1. Begegnung ineinander verliebt zu sein.
Der Zauberer wollte seine Fee endlich sehen und in die Arme schließen können. Immer wieder fragte er Wann sehe ich dich endlich, wann kommst du zu mir in mein Reich? Sanftmut wünschte sich nichts sehnlicher, hatte aber Angst vor der Begegnung von Angesicht zu Angesicht.
Weihnachten nahte, da fasste sie ihren ganzen Mut und begab sich auf die lange Reise zu ihrem Zauberer, der in ihr schon während der kurzen Zeit ihres Kennens soviel an Stärke in ihr zurückgefördert hatte. Auf ihrer Reise hörte sie ihn rufen: Flieg schneller, mein Herz, flieg schneller.
Als Sanftmut endlich mit klopfendem Herzen bei Ruhlos ankommen war, nahm er sie ganz fest in die Arme und schaute sie sehr lange an. Er war überwältigt von seiner Fee und ihrer reizenden Anmut und sagte nur. Willkommen zuhause, Liebste. Sanftmut fühlte sofort, ja, sie war angekommen. Ihre Vorahnung bestätigte sich, es war ER, den sie vor Jahren während einer Vision in ihr Heim spazieren sah, es war ihr Zauberer. Die Prophezeiung wurde wahr - der Kreis wurde geschlossen.
Die Beiden verbrachten wundervollen Zeiten des Glücks. Ihre beiden Seelen berührten sich tief. Eine wundervolle Liebe hatte begonnen. Sanftmut fand wieder zu sich selbst. Des Zauberers liebevolle Zärtlichkeit heilte ihre verletzte Seele. Sie wurde immer froher, ihre Augen leuchteten wieder wie Sterne am Firnament. Bei ihm konnte sie sein, wie sie war.
Und Ruhlos Herz wurde ruhig und wohlige Wärme erfüllte ihn. Bei Sanftmut konnte er sich im Vertrauen fallen lassen.
Ihre Liebe wuchs und wuchs und sie konnten sich in ihrer Liebe zueinander geborgen fühlen. Wann immer es ihnen möglich war, trafen sie sich und genossen sich und ihr Glück. Die Sehnsucht war oft schier unerträglich, die Freude aufeinander dafür umso größer.
Des Winters saß Ruhlos oft am warmen Ofen und fror, weil ihm die zärtliche Wärme seiner Liebsten fehlte. Und wie oft sehnte sich Sanftmut nach dem großen, liebevollen Mann, nach seinen Blicken, seinen Zärtlichkeiten und seinen romantischen Worten, die sie so sehr beflügeln konnten. Und wie oft träumte sie sich zu ihm, in sein Reich, wo sie sich zuhause fühlt.
Wenn sie real nicht zusammen sein konnten, trafen sie sich in vielen Nächten auf ihrem Traumschloss, hielten sich umschlungen und sahen zu den Sternen oder bereisten den Mond.
In zahllosen Nächten machte sich Ruhlos auf die Reise zu seiner Liebsten, um ihr schöne Träume zu schenken, bettete sie sanft in seine Arme oder aber er sah ihr nur beim Schlafen zu. In nicht wenigen Nächten flog die Fee zu ihrem Zauberer, legte liebevoll und schützend ihre Flügel über ihn, damit nichts und niemand seinem Schlaf stören möge.
Viele Monde des Glücks und der Freude sind vergangen, als Sanftmut eines Tages dunkle Wolken heranziehen sah - Wolken, die das Leuchten verfinstern würden. Sie fühlte Energien, die nichts Gutes verheißen sollten.
Eine schwarze Elbe hatte den Weg des Zauberers gekreuzt. Erst wollte sie nur sein magisches Wissen, dann aber wollte sie ihn und seine Liebe besitzen. Da aber Ruhlos seine Sanftmut liebte, fertigte die Elbe einen Zaubertrank und gab ihm diesen zu trinken, um seine Liebe zu erhaschen. Von nun an veränderte sich Ruhlos. Seine innige Liebe, die er für Sanftmut empfand, wurde ihm plötzlich unheimlich und sein Verhalten veränderte sich in seltsamer Weise.
Zudem wurden Intrigen gegen ihn gesponnen. Menschen, denen er hilfreich zugeneigt war, wandten sich in Undank gegen ihn und Menschen, denen er sein magisches Wissen zuteil werden ließ, nutzten diese für ihre Zwecke und fügten ihm Schaden zu. Er erkannte nicht die Masken der Niedertracht und hörte nicht die Falschheit schöner Worte.
Ruhlos' Herz wurde immer schwerer, tiefe Traurigkeit überkam ihn und er verlor all sein Vertrauen. Er wurde richtig krank.
Sanftmut's Herz schmerzte über seine seltsame Veränderung. Vieles was er sagte oder tat, schien nicht mehr er selbst zu sein. Trotzdem er arg zerrissen war, blieb die Verbundenheit und das starke Band zwischen den beiden bestehen. Und immer noch, wenn sie gegangen war, atmete er ihren Duft auf seinem Kissen und zurück blieb die Sehnsucht.
Sanftmut geriet mit der Zeit in einen Strudel der Trauer, des Schmerzes und auch der Wut. Ihr wundes Herz schrie und ihr Körper schmerzte sehr. Sie fühlte sich zutiefst verletzt und ihre Enttäuschung bahnte sich einen Weg. Dabei erschrak sie zutiefst über ihre dunklen Gefühle, die in ihrem Herzen tobten, wie die schäumende Brandung der tiefen See. Nachdem sie erschöpft zur Besinnung kam, schloss sie Frieden mit ihren heftigen Gefühlen und erkannte, dass auch dies sie war und zu ihr gehörte. Von nun an akzeptierte sie die zeitweiligen tosenden Wellen in ihrer Seele gleichermaßen wie die sanften Wogen des Windes ihres Ichs.
Aus Sanftmut wurde Visionella, die geläuterte und gereifte Fee, sich ihrer Kraft bewusst geworden, frei von Ängsten und voll guten Mutes. Ihr durchlebter Kummer ließ sie erneut viel schauen und lernen.
Wie gerne hätte Visionella ihrem Ruhlos mit all ihrer Macht geholfen. Jedoch wusste sie, auf seinen Weg muss er alleine finden, er muss sich selbst wieder finden und auch alleine zur seiner Erkenntnis gelangen. Nur dann wird er zu seiner gesunden inneren Freiheit gelangen können. Aber etwas ihrer Medizin zur rechten Zeit, verabreicht aus reinem Herzen - das war ihr möglich.
Als dann erneut das Weihnachtsfest nahte, nutzte die Fee diese heilige Zeit, die Zeit der Rauhnächte, um ihrem Zauberer zu helfen, gesund werden zu können. Sie buk für ihn kleine Küchlein mit ihren heilenden Kräutern. Diese ummantelte sie mit feinem Feenstaub und mit den Strahlen ihrer Liebe, damit der von dem Gift geheilt werde. Ganz langsam schwindet nun der dunkle Einfluss. Somit wird Ruhlos irgendwann erkennen, wo seine Heimat ist und wo er sich geborgen fühlt.
Mögen sich seine Energien wieder zu einer harmonischen Einheit zusammenfinden, wie ein Sternbild, das ihn auf den Weg der Zuversicht und des Vertrauens zurückführen wird.
Visionella weiß zu gut, dass oft die schlimmsten Erlebnisse zu strahlenden Juwelen der Erfahrungen werden können. Denn gerade diese prägen sich stark ein und sind gute Lehrmeister. Wie das bei Edelsteinen eben ist, muss man sie ans Licht fördern, sie bearbeiten und sortieren.
Die kleine Fee ist Ruhlos unendlich dankbar für seine Liebe und die wundervolle Zeit mit ihm. Durch ihn, aber auch durch die Läuterung ihres Herzens hat sie ihre besonderen Gaben wieder gefunden. Inzwischen wird sie in ihrem Feenreich als gütige, weise Heilerin geliebt. Sie glättet die Narben geschundener Seelen, sodass auch deren Körper in die Heilung gelangen können.
Manches Mal, wenn die in ihrem Rosengarten am Teich Entspannung sucht, hört sie Ruhlos sanfte Stimme, wie er zärtlich ihren Namen ruft und sie hört den Wind seine Liebesworte flüstern. Dann sind die Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht, wie das Streicheln seiner Hände.
Noch immer treffen sich in manchen Nächten ihre Blicke auf Frau Lunas Silberscheibe und sie sehen sich in ihrem geheimnissvollen Licht. Und bei Vollmond schweben die Beiden im Mitternachtstanz.
Ruhlos weiß inzwischen, er muss wieder lernen, in der Stille auf die Wünsche und Sehnsüchte seiner Seele zu lauschen, damit sich diese erfüllen können.
Er weiß auch, dass die Zeit gekommen ist, frühere Schmerzen zu überwinden und alte Fesseln abzulegen.
Und wenn es den guten Geistern gefällt, wird Ruhlos weiter gesunden und der Tag wird kommen, an dem der Zauberer wieder der Sehnsucht seines Herzens folgen wird, wo er dem Schweigen zuhört und die Stille sprechen hört.
Dann wird sich Visionella auf die weite Reise machen in das ferne, aber so vertraute Reich zu ihrem Liebsten weit übers Meer und sie wird den hohen Berg überwinden, hinter dem ihres Zauberers Licht für sie leuchtet.
Und sie werden füreinander sein, was sie seit Anbeginn ihren Zeiten füreinander waren. Und sie werden sich in manch einer Nacht im Rhythmus des Meeres lieben und der Mond schaut ihnen lächelnd zu.
Vielleicht - vielleicht aber haben sich die Beiden bis dahin verloren.
Möge ihnen die kraftspendende Frühlingszeit zuteil werden und ihnen neue Energien schenken. Mögen ihnen das Geschenk ihrer tiefen Liebe nie vergessen sein.
Ich wünsche euch allen eine magische Beltane-Nacht draußen, im Schutze des herrlichen vollen Silberscheines.
Fly Lubtu