Es mögen inzwischen gut 15 Jahre sein, die ich hier draußen am nördlichen Stadtrand Hamburgs lebe, und seitdem kenne ich das Graureiherpaar, das immer zu Zweit unterwegs ist. Bei jeder Begegnung, gleich ob sie über mein Zuhause flogen, oder ich sie draußen in der freien Natur sah, hatte ich in mir diese stille, tiefe Freude über ihre Schönheit, ihr Dasein, ihr Miteinander, ihr Tun.
Voriges Jahr war der Reiher plötzlich allein, jedes Mal, wenn ich ihn sah, war er Single. Ich nehme an, dass auch Graureiher zu den Vogelarten zählen, die paarweise zusammenleben, ein Leben lang; meine Google Recherche war da leider nicht ergiebig, obwohl ich jetzt viel mehr über diese Vogelart weiß.
Er hatte mein Mitgefühl, wenngleich an seinem Verhalten nichts daraufhin deutete, dass ihm etwas fehlte. Ruhig, majestätisch und gelassen wie immer, bewegte er sich über die Weiden oder stand ganz still nahe dem Alsterlauf, kaum zu erkennen, für ein ungeübtes Auge.
Heute lockte mich die Herbstsonne nach draußen, statt im Hause wollte ich bewusst draußen in der geliebten Natur atmen, mich erden, bewegen.
Als ich der sanft geschwungenen Biegung der kleinen Straße folgte sah ich das Gefieder des Graureihers schon in der Sonne glitzern lächelte erfreut denn ich mag diese Begegnungen sehr und staunte nicht schlecht, als ich einen Moment später einen zweiten Vogel wahrnahm, der gemächlich in der Nähe nach Essbarem schaute.
Mein Reiher hat wieder einen Partner!
Ich lachte und freute mich so sehr für ihn gut, dass niemand mich sah, es mag seltsam anmuten, eine 53 jährige Frau allein auf einem Sträßchen, die laut und fröhlich lachend ihrer Freude darüber Ausdruck verlieh, dass der Reiher nicht mehr allein ist.
Als ich die beiden so beobachtete, mich an und mit ihnen freute, wurde eines deutlich:
Obwohl sie einander begegneten, nun miteinander sind, ist das Verhalten des Single-Vogels unverändert.
Er ist nicht mehr allein, aber er tut noch immer das, was er vorher allein ebenso machte.
Keine Veränderung, keine Einschränkung, außer der einen: Bereicherung durch die Gesellschaft des anderen, der ebenso seinen eigenen Weg geht.
Beide haben sich offensichtlich zusammengetan, bilden ein Paar aber sie verzichten auf nichts, sind mal zusammen, dann wieder für eine Weile für sich, getrennt, dann wieder miteinander.
Ein Ganzes der Singlereiher und noch ein Ganzes, der neue Reiher bilden ein drittes Ganzes, das Reiherpaar, das durch sie existiert, gleich, ob sie darin sind, oder nicht.
1 + 1 = 3!
Einen Vorteil haben die beiden sicher: Sie denken nicht, sie haben keine Erwartungen, schaffen keine Abhängigkeiten, sind weder eifersüchtig, noch streiten sie, sondern folgen ihrem Instinkt, der inneren Führung und das immer im Jetzt, der Gegenwart.
Wenn sie Nachwuchs zeugen, dann werden sie ihn gemeinsam versorgen, aufziehen, lehren und dann wieder loslassen.
Sie sind freiwillig zusammen, sie haben einander ausgesucht, genauso wie sie sind.
Diese Vögel, an deren Schönheit und Ruhe ich mich erfreue, haben sich gefunden und verbunden. Ich nehme es als Zeichen dafür, dass auch ich finden/gefunden werde.
Johanna-Merete = DiVINE
17. September 2009