Die Fische - Wanderer in höheren Sphären
Die Fische, das letzte Zeichen des Tierkreises, scheinen ein wenig von allen anderen Zeichen in sich zu haben. Niemand ist von Natur aus so sehr ein Chamäleon und ein Schauspieler wie die Fische, deren Regent Neptun ist, der unberechenbare Gott der Meere und der unterirdischen Wasserläufe. In der Welt des Theaters und des Films wimmelt es von Fischen. Fische-Menschen haben etwas wunderbar Fließendes und Vielschichtiges an sich, das abwechselnd bezaubern und ärgern kann. Sie sind aus so vielen Menschen zusammengesetzt, daß man sich zu fragen beginnt, wann endlich der echte Fisch zu sehen sein wird.
Oft wird gesagt, die Fische seien dazu bestimmt, entweder zu dienen oder zu leiden. In gewisser Weise scheint das wahr zu sein, geht aber doch zu sehr ins Extreme. Aber die Neigung der Fische, zu den Menschen zu werden, mit denen sie sehr verbunden sind, bringt viele von ihnen dazu, sich stark unterzuordnen. Manchmal werden die Fische als wischiwaschi bezeichnet, weil sie eine Passivität und Trägheit an sich haben, die am deutlichsten sichtbar wird, sobald sie in eine Krise geraten. Ein Fisch in einer Zwangslage ist unfähig, eine rasche Entscheidung zu fällen und zu handeln. Eine schnellgetroffene Entscheidung hieße ja, eine Wahlmöglichkeit zugunsten einer anderen aufzugeben. Für die Fische gibt es zu viele Wahlmöglichkeiten; und wenn man sie alle gründlich betrachtet, hat einfach jede etwas Gutes an sich. Wie also soll man wählen, wenn jede Möglichkeit richtig und zugleich falsch ist?
Dies ist einer der Schlüssel zum oft so rätselvollen Verhalten der Fische: Alles ist relativ. Wie alle Eigenschaften der Tierkreiszeichen hat auch diese zwei Seiten. Die Relativität der Wahrheit zu sehen, ist eine große Gabe, denn sie führt zur Toleranz. Wenn alles relativ ist, kann man andere nicht wegen ihrer Ansichten verdammen. Leider aber kann diese Einstellung unglaublich lax sein.
Den Fischen ist schon vorgeworfen worden, sie wären unmoralisch. Das trifft nicht wirklich zu; um unmoralisch zu sein, muß man Moralregeln brechen. Die ruhige, weise Gleichgültigkeit, mit der Fische menschliche Übergriffe hinnehmen, ist manchmal geradezu erschütternd. Der Fisch wird sich still verhalten, wenn seine Frau ihn verläßt, seine Kinder ihn beleidigen, sein Chef ihn beschimpft, das Finanzamt ihm sein halbes Gehalt ablagt und sein Vermieter ihn auf die Straße setzt. Mit stiller Gelassenheit nehmen viele Fische Schicksalsschläge hin, als seien sie ihnen vorbestimmt, als erwarteten sie sie und hießen sie willkommen. Vielleicht wissen sie etwas, das anderen Zeichen entgeht: daß all dieses Leiden, all dieses Unglück nicht viel bedeutet, wenn man nicht so fest am Leben hängt.
Die Fische sind das Zeichen der Mystik. Viele Fische sind tief religiös, ohne dabei orthodox sein zu müssen. Aber sie sehnen sich nach einer anderen Wirklichkeit, nach etwas Transzendentem, Magischem, Unfaßbarem, neben dem das gewöhnliche Leben schal und inhaltslos erscheint, als ein Tal der Tränen. Der Fisch hat die tiefe Weisheit, die Nichtigkeit aller menschlichen Begierden zu sehen. Wilder Ehrgeiz, machtvolle Leidenschaft, Habsucht und Gier - diese beherrschenden menschlichen Motive, die uns alle vorwärtstreiben - haben wenig Macht über ihn. Wie jedes andere Zeichen sind auch die Fische zu diesen Gefühlen fähig, aber irgendwie und irgendwo tief in ihnen nehmen sie sie einfach nicht so ernst. Schließlich ist dies alles nur maya, wie es die östlichen Philosophien nennen - nur Illusion.
Die Fische scheinen diese seltsame, etwas zynische Weisheit vom Leben und den Menschen schon von Kindheit an zu haben. Wie die beiden anderen Wasserzeichen Krebs und Skorpion erfassen sie instinktiv die verborgenen Strömungen hinter dem normalen menschlichen Verhalten. Es ist schwer, einen Fisch zu täuschen. Aber der Unterschied zwischen ihm und den beiden anderen Wasserzeichen ist der, daß der Krebs und der Skorpion an die eigenen Emotionen gebunden sind und deshalb gefühlsmäßig handeln. Wenn der Krebs spürt, daß er einem anderen nicht so recht trauen kann, wird er sich und die Seinen schützen. Wenn der Skorpion das spürt, wird er den Feind angreifen und ihm eine Lektion erteilen oder sich voller Unwillen zurückziehen. Der Fisch hingegen beobachtet, sieht, ist traurig und vergibt. Meistens wird er sich auch noch ausnützen oder betrügen lassen, obwohl er alles genau erkennt. So wichtig ist das nicht, sagt er. Oder: Für den anderen war es wichtiger als für mich. Diese Antworten erinnern einen immer wieder daran, daß unsere materielle Welt nicht die wirkliche Welt der Fische ist. Der Fisch ist ein Geschöpf, das unter der Wasseroberfläche lebt. Auch die Fische des Tierkreiszeichens tun dies. Sie bewegen sich in der Tiefe einer für einen luftigen, irdischen, rationalen Menschen schwer auslotbaren Welt. Alles wird doppelt oder vierfach gesehen, nichts ist jemals einfach oder klar. Jeder Gedanke und jede Handlung hat Tausende von Assoziationen, die in alle Ewigkeit Wellen schlagen. Fische erkennen keine Grenzen. Man kann das leicht an ihren Lebensgewohnheiten feststellen. Ein Fische-Mensch kann essen, bis ihm schlecht wird, trinken, bis er zusammenbricht, so laut und extravertiert werden, daß alle beleidigt sind, oder so still und abweisend sein, daß alle Angst bekommen. Er tut alles im Übermaß. Das liegt daran, daß er nicht richtig weiß, wie man unterscheidet, wie man einschränkt und wie man wählt. Wer jemals ein Aquarium mit tropischen Fischen gehabt hat, weiß, daß man nicht Futter für eine Woche hineinstreuen und dann verreisen kann. Ein Fisch ißt, was vor seinem Maul ist, bis er stirbt. Auch das Zeichen der Fische kennt keine Mäßigung. Woher auch? Der Fisch entstammt einer anderen Welt und kennt die Gesetze nicht, die für die klare, kalte Welt der Tatsachen gelten.
Dieses schwere Versagen kann er nur durch eine grenzenlose Phantasie ausgleichen. Auch hier kennt der Fisch keine Schranken. Er kann sich einfach alles vorstellen. Fische kennen das Geheimnis der Quelle des Lebens, des Reichs der Träume und der Phantasie. Die Psychologie nennt dies das Unterbewußte. Zu dieser Welt besitzen die Fische einen Schlüssel, den sie schon in die Wiege gelegt bekommen haben. Sie können darin ein- und ausgehen, wie es ihnen gefällt. Schwierig dabei ist nur, daß es ihnen manchmal schwer fällt, in die nüchterne Alltagswelt mit ihren prosaischen Anforderungen zurückzufinden.
Fische haben große Schwierigkeiten mit der Wirklichkeit. Das heißt, mit einer Wirklichkeit, die durch Zeit und Raum, Gegebenheiten und Tatsachen eingegrenzt ist. Obwohl ihre Intuition blitzschnell reagiert und ihr Verstand glasklar ist, übersehen sie häufig simple Dinge wie die Stromrechnung. In bezug auf Geld haben die Fische einen schlechten Ruf. Nicht daß sie unpraktisch . wären; gelegentlich können sie sogar knauserig sein oder nicht ganz einwandfreie Vorstellungen davon haben, wie man ans große Geld kommt. Es liegt mehr daran, daß sie keine Einschränkungen ertragen können und wollen. Das ganze Konzept, von der Zeit, dem Raum und anderen Menschen in Grenzen verwiesen zu werden, ist für die Fische mehr als enervierend. Ihr Geist ist größeren Dingen zugewendet.
Das kann für die erdgebundenen oder die Luft-Typen, die alles planen, strukturieren und erklären möchten, sehr irritierend sein. Obwohl ein Fisch als Wasserzeichen sich häufig mit einem Luftzeichen verbindet, sehen beide die, Wirklichkeit ganz verschieden. Für den Fisch ist alles nicht so wichtig. Er neigt eher dazu, kurz entschlossen nach Tahiti zu fliegen oder einen Porsche zu kaufen, als sechs Monate vorher seinen Urlaub mit einer Reisegesellschaft zu planen und ein sparsames, vernünftiges Auto zu kaufen. Solche Dinge sind der Grund dafür, daß man die Fische kindisch und unvernünftig nennt. Das aber ist unfair, denn bei den ihnen wichtigen Dingen sind sie sehr verantwortungsbewußt. Ihre Vorstellung von dem, was wichtig ist, unterscheidet sich einfach von der anderer Menschen.
Fische sind unheilbare Romantiker. Sie haben Methoden, das zu verbergen, aber sie werden von der Geburt bis zum Tod Romantiker bleiben. Dabei geht es nicht nur um Liebesdinge, sondern um alles im Leben. Sie leben in ihrer Phantasie, und in dieser Phantasie ist alles wie ein Film, der ständig die Szenen wechselt. Die Fische langweilen sich schneller als jedes andere Zeichen. Die sich ständig wandelnde Landschaft des fließenden Meeresgrundes läßt sich nicht gut durch die unveränderbare Banalität des Lebens auf dem trockenen Land ersetzen. Fische brauchen Theater. Oft zerstört der Fisch sich damit, aber sogar das hat noch einen dramatischen Beiklang.
Wer zuverlässige, solide Menschen schätzt, die meinen, was sie sagen, es sogar noch nächste und übernächste Woche meinen, hält sich von den Fischen besser fern. Das einzige wirklich Beständige an ihnen ist die Liebe und das Bedürfnis nach Wechsel. Für sie liegt das Glück in der Veränderung und in der Verbundenheit mit ihrer Traumwelt, die ihnen wichtiger ist als die Realitäten eines Sozialstaates, in dem Nahrung, Unterkunft, freie medizinische Versorgung und wöchentlich zwei, drei Abende in der Kneipe mit Glück gleichgesetzt werden. Das ist nichts für die Fische. Der Fisch braucht Blumen für die Seele. Er ist erstaunlich anpassungsfähig und kann in einer Dachkammer leben; aber Dachkammern sind romantisch, Sozialwohnungen nicht.
Die Fische sind das letzte Zeichen, die Vollendung des Tierkreises. Jedes Zeichen hinterläßt seine Spur in dem der Fische. Es gibt kein spezielles Fische-Dilemma; die Fische verkörpern das allgemein menschliche Dilemma. In diesem letzten Zeichen des Tierkreises sehen wir die Widerspiegelung der ganzen Hilflosigkeit des Menschen, seine Sehnsüchte, seine Träume, seine Nöte, seine Machtlosigkeit angesichts des Universums, seinen Größenwahn, sein Sehnen nach Liebe, sein Ahnen eines Geheimnisses oder einer göttlichen Quelle, nach der er sucht, die er aber niemals ohne große Opfer erreichen kann.
In jedem Fisch, symbolisiert durch die beiden Fische, die in verschiedene Richtungen schwimmen, aber durch ein goldenes Band zusammengehalten werden, existiert die Schwierigkeit des Aufeinandertreffens zweier Dimensionen. Die eine steht für die Tatsachen und greifbaren Realitäten, die andere aber ist die Meerjungfrau, die in der Tiefe lebt, gelegentlich daraus auftaucht, den Sonnenschein einfängt und die Sterblichen an der Küste bezaubert. Wie dieses Aufeinanderprallen bewältigt wird, macht die Lebensgeschichte eines jeden Fisches aus. Manche Fische folgen der Meerjungfrau in die Tiefe und vergessen, daß menschliche Lungen unter Wasser nicht atmen können. Sie werden zum menschlichen Ausschuß, zu Drogensüchtigen, Alkoholikern, Hoffnungslosen, Verzweifelten, Heruntergekommenen. In anderen Fischen aber sehen wir den Genius. Bei ihnen wird die Meerjungfrau, der Blick in andere Welten, die in ihrer Größe und Unendlichkeit dem gewöhnlichen Verstand kaum faßbar sind, ins Geistige übertragen. Sie schenken der Menschheit einen Schlüssel zu den unbekannten Tiefen.
Es liegt auf der Hand, daß nicht jeder Fisch entweder ein Genie oder ein Stadtstreicher ist. Aber vielleicht ist es die Aufgabe eines jeden Fisches, sich auf irgendeine Weise mit dem Reich des Überpersönlichen zu arrangieren und den Mut zu haben, dessen Sprachrohr zu sein. Hier treffen wir auf die Dichter und Musiker, die großen Schauspieler und Dramatiker, die Visionäre und Mystiker, die versuchen, das alltägliche Leben zu überhöhen. Das kann ihnen mit einem Kunstwerk, aber auch mit schlichter Menschenliebe gelingen.
Die Fische sind ein wandelbares, veränderungsfähiges Zeichen, leicht zu beeinflussen und oft gefallsüchtig. Die Fische lassen sich durch eine feindliche Umweit leichter als jedes andere Zeichen verformen oder unter Druck setzen. Und der normale Fisch tarnt sich vor sich selbst mit einer realistischen Einstellung zum Leben. Viele Fische, besonders die, die zum Mystizismus neigen, sind sich bewußt, daß sie - und die Menschheit - eine Art Zwischenstufe zwischen dem Animalischen und dem Göttlichen sind. Das muß zu Problemen führen. Sich zweier solcher Dimensionen bewußt zu sein, ist reichlich verwirrend, besonders dann, wenn die eine gerade dann aufzutauchen pflegt, wenn die andere allein die Vorherrschaft haben sollte. Kein Wunder, wenn von den Fischen behauptet wird, sie wären oft zu verwirrt.
Der Drang zur Selbstaufopferung ist bei den Fischen sehr stark ausgeprägt. Häufig begegnet man Fischen, die verzweifelt nach einer Sache suchen, der sie sich verschreiben oder für die sie sich sogar opfern können. Dies ist ein Grad von Ekstase, den die anderen Zeichen nicht teilen wollen, weil sie alle noch Reste des eigenen Selbstwerts des Ich-Seins bewahrt haben. Die Fische haben das nicht; sie sind die Vollendung des Kreises, sein Ende. Daher die starke Neigung, alles aufgeben zu wollen, es zu opfern, sich aufzulösen und zu verschwinden.
Mitgefühl und unpersönliche, unvoreingenommene Liebe sind ebenfalls Fische-Tugenden, die auf diese Stellung im Tierkreis zurückgeführt werden können. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, biete auch die andere Wange - der Fisch will es wahrmachen, und tut es auch oft.
Die Schattenseiten
In einem von soviel schönen Bestrebungen und Sehnsüchten nach Reinheit, Hingabe, Güte, Gnade, Mitgefühl und Selbstaufopferung durchfluteten Haus muß im Keller zwangsläufig ein riesengroßer Schatten lauern. Das ist einfach ein Grundgesetz des Lebens, und daß jeder Vordergänger seinen Hintergänger hat, tritt nirgendwo klarer in Erscheinung als beim Zeichen der Fische.
Die Fische kennen keine Grenzen. Daher ihr Verlangen nach der Vereinigung mit dem Göttlichen, mit der Quelle des Lebens. Ob dies nun durch religiöses Sehnen, schöpferische Ausdruckskraft oder Heroin erreicht wird, ist ihnen weniger wichtig als die Erfahrung selbst. Auch der Schatten-Fisch kennt keine Grenzen. Sein Name ist Macht.
In normalen Situationen wird der Fisch meist das Opfer sein. Wir begegnen diesem Phänomen bei vielen Fischen. Sie werden ausgenützt, übervorteilt, finanziell und in ihrem Mitgefühl ausgenommen, wegen ihres Mitleids versklavt und durch ihre Neigung, sich für die Sünden anderer schuldig zu fühlen, verpflichtet. Es ist fast unvermeidlich ein Fisch, der beim gewalttätigen Partner ausharrt, der die schizophrene Frau betreut, der das zurückgebliebene Kind aufzieht, die kränkliche Mutter unterstützt und dieses oder jenes aufgibt, um einem anderen zu helfen. Manchmal ist es schwer festzustellen, ob die Fische die edelsten oder die dümmsten aller menschlichen Wesen sind; ob sie wahre Heilige oder Tyrannen sind, die eine gewaltige Macht dadurch ausüben, daß sie anderen das Gefühl geben, ihnen hoffnungslos verpflichtet zu sein. Niemand hat soviel Macht wie ein Märtyrer. Die Fische haben beides in sich, den Märtyrer und den Tyrannen.
Viele Fische nähren in sich heimliche Phantasien. Da sie sich als die machtlosesten aller Sterblichen fühlen, sehen sie sich heimlich als Weltbeherrscher. Das ist durchaus verständlich, aber es wird ärgerlich, ja sogar gefährlich, wenn sie es selbst nicht bemerken und nichts dagegen tun.
Wenn ein empfindsamer Fisch zu brutal unter Druck gesetzt wird - was dem Zeichen häufig geschieht, weil die Menschen in ihm die Widerspiegelung ihrer eigenen gefürchteten Schwächen und Verwundbarkeiten sehen -, kann er sich durch Grausamkeit Luft machen. Diese verwirrende Eigenschaft mancher Fische ist unbegreiflich, tritt aber häufig in Erscheinung, angefangen mit dem Schulkind, das seine Mitschüler oder Tiere quält, bis hin zum Psychotiker. Was liegt dieser Grausamkeit zugrunde? Die Fische stellen nicht so sehr den Typ eines Menschen dar als die Wiedergabe der menschlichen Natur an sich. Der Fisch, das sind wir alle. Darum ist er auch so oft das Opfer. Das mag überspitzt formuliert sein, aber es ist so. Im Lebensmuster eines Fisches ist das Spiegelbild eines jeden Menschen zu sehen; vielleicht verzerrt und übertrieben, aber eine wahre Spiegelung. Fische sind daher auch hervorragende Ärzte, Priester und Anwälte. Sie sind von Natur aus mitfühlend, weise und einsichtig. Sie können heilen, weil sie selbst Wunden davongetragen haben und weil sie in der menschlichen Natur nichts finden, das sie nicht schon selbst in sich gesehen hätten.
Aber ein zu passiver Fisch ist eine gefährliche Kreatur. Der dunkle Fisch muß früher oder später auftauchen, entweder in einer echten Psychose oder in Selbstzerstörung - sei sie langsam oder schnell wie die Drogensucht oder der Alkoholismus - oder in der subtilen, unauffälligen Zerstörung anderer. Selten ist dies offen zu sehen, wenn der Fisch nicht einen aggressiven Aszendenten wie den Widder oder Löwen hat oder stark vom Mars beeinflußt wird. Sonst bleibt das alles unter der Oberfläche, denn der Fisch ist ein Meister in der Tarnung des Unterschwelligen.
Eine weitere Facette des Fische-Schattens ist damit verbunden. Man könnte sie das Syndrom des unverstandenen Genies nennen. Dem unverstandenen Genie, oft ein Fisch oder ein Fisch Aszendent, fehlt es auf keinen Fall an Talent. Ihm fehlt es an Realismus. Der Fisch mit seiner so reichen, überquellenden und grenzenlosen Phantasie läuft oft verbittert gegen die normalen Begrenzungen durch Zeit und Raum an. Seine brillanten Ideen, die in seinem Geist wie der Flossenschlag eines Fischs aufblitzen, sind wirklich brillant, aber es fehlt ihm an der Beharrlichkeit, an Disziplin und an Achtung für harte Arbeit und gutes handwerkliches Können, die schon vielen weit weniger begabten Künstlern Kuhmund Geld gebracht haben. Der Fisch präsentiert sich häufig als der neue Dichter, der neue Schriftsteller, der neue Filmmacher, der neue Prophet. Eines Tages ... wenn die Welt ihn verstehen wird ... Aber die Welt ist oft so unfreundlich. Sie erwartet von ihm, daß er wie alle anderen herumwerkelt, normale Arbeit verrichtet, Rechnungen bezahlt und sein Leben und sein Auto versichert, wo ihm doch alles leichtgemacht werden müßte, wenn die anderen nur wüßten, wie talentiert er ist und was er für die Welt tun könnte ... Eine sehr vertraute und traurige Geschichte. Und das traurigste daran ist, daß der Fisch nie den goldenen Mittelweg findet, das Gleichgewicht zwischen der Einschätzung seiner Träume und der Zeit, die es braucht, sie zu verwirklichen. Er wird einfach bitter, ist enttäuscht und gibt auf. Aus dem Visionär wird der prosaischste und zynischste aller Menschen, der nie wieder eine Zeile schreibt oder nie mehr den Malkasten anrührt. Dann kann er zu seinen Enkeln sagen: Ja, ich habe mal davon geträumt, ein Maler zu werden ... Aber ... aber irgend etwas ist schiefgegangen. Was? Die Konfrontation mit der Wirklichkeit, die Begegnung der Meerjungfrau mit dem Sterblichen. Beide Extreme führen zum Versagen: zum Ertrinken im Meer oder zum Verlieren des Traums, weil er zu früh und ohne Vertrauen offenbart wird.
Die Fische haben oft eine solche Fülle von Begabungen und Vorstellungen, daß sie zu den gesegnetsten aller Menschen gehören. Aber dennoch versagen sie häufig im Leben, und das ist die Machenschaft ihres Schattens, dessen Größenwahn über alles hinausgeht und sich einfach nicht erfüllen läßt. Dann ist der Fisch dazu verurteilt, an sich selbst zu verzweifeln und sich selbst zu verachten. Seine Verbitterung über das Leben, von dem er sich betrogen fühlt, kann ihn zugrunde richten. Erst wenn er erfassen kann, daß es um ihn geht, daß es keine Welt gibt, die ihm feindlich gesonnen ist, daß er einfach die göttliche und die sterbliche Seite seines Wesens begreifen und beide pflegen muß, ist er in Wahrheit unbegrenzt.
Die Fische als Partner
Ein Fisch ist fast immer verliebt. Wenn nicht in einen Menschen, dann in eine Sache oder in Gott, aber verliebt ist er ständig. Es liegt in seiner Natur zu geben, und da er ein Wasserzeichen ist, ein Zeichen des Gefühls, kann ein Fisch sich ein Leben allein gar nicht vorstellen - es sei denn, es wäre die Art von Alleinsein, die ein Mönch oder eine Nonne erwählen, aber auch da geht es ja um eine lediglich andersgeartete Verbindung.
Empfindsamkeit, Sanftheit, Neigung zur Ergebenheit hat er im Uberfluß. Aber viele Fische überkompensieren ihr inneres Verlangen nach Menschen durch Kühle und ein absichtliches Abstandhalten. Oder die Schattenseite besiegt die Tendenz der Fische, immer die Wünsche des anderen voranzustellen und bei jedem Beweis der Zuneigung und Zärtlichkeit aufzublühen. Es kann aber auch sein, daß der Partner in die Rolle des Bediensteten gedrängt wird, der seinem Herrn alle Wünsche von den Augen ablesen muß. Um welche Seite es sich immer handelt, es geht alles auf dieselbe Wurzel zurück. Wenn der Fisch vertrauen kann, wird er alles geben - nicht unbedingt morgen oder nächstes Jahr. Denn Begrenzung und feste Regeln passen nicht zu seinem Wesen. Er gibt heute, in diesem Augenblick. Aber wenn man die Folge von Augenblicken zu einer Kette zusammenknüpft, ergibt auch dies die Spanne eines Lebens.
Eine der beunruhigenderen Eigenschaften der Fische ist ihre Bereitschaft, jederzeit mit praktisch jedermann eine oberflächliche Beziehung einzugehen, deren Gründe die Menschen mißverstehen. Der Fisch tritt nicht wirklich in eine Beziehung mit ihnen ein; er hört nur voller Mitgefühl zu. Er läßt sich auch sehr leicht verführen. Man kann einen Fisch nicht einsperren; die extravertierte Seite seines Wesens wendet sich so leicht anderen zu, daß man sich am besten damit abfindet. Aber zum Glück ist er ja von Natur aus weise und durchschaut die Menschen sehr schnell. Und obwohl er sich oft auf Abwege führen läßt, weil er Mitgefühl entwickelt, ihm geschmeichelt wird oder die Persönlichkeit des anderen stärker ist als seine eigene, kann er immer noch erkennen, was für ihn wirklich wichtig ist.
In der Liebe gibt es für den Fisch selten nur einen Mann oder eine Frau. So etwas ist ihm unmöglich; er interessiert sich nicht nur für alle, er wird auch oft von allen angezogen. Er hat seine eigenen Moralbegriffe, und die sollte man lieber gleich am Anfang herausfinden, damit es später keine Enttäuschungen gibt. Mit sehr besitzergreifenden Menschen kann es Schwierigkeiten geben. Der Fisch mag faktisch gesehen treu sein, aber seine Phantasie ist es nicht und wird es nie sein und er selbst auch nicht. Alles hängt davon ab, ob man faktische Treue höher schätzt als tiefes Verstehen und eine stumme Verbundenheit, wie sie kein anderes Zeichen bieten kann.
Die Fische haben wie die Jungfrau - ihr entgegengesetztes Zeichen - etwas an sich, das unberührbar und unbeherrschbar bleibt, gleichgültig wie fest der Vertrag sein mag oder wie lange die Bekanntschaft. Ein Teil des Fisches wird immer dem Kosmos und seinem inneren Selbst gehören, nicht einem anderen. Im Gegensatz zu den einfacheren Zeichen wie dem Widder und dem Stier, kann ein Fisch einfach nicht sagen: Hier bin ich. Ich bin im Herzen ein schlichter Mensch, ich gehöre dir. Er kann viele seiner Ichs verschenken, aber alle bekommt man nie. Es wird Träume und Visionen geben, die er niemals mitteilen kann. Einen Fisch immer wieder zu fragen, was er gerade denkt, wenn er seinen vagen träumerischen Ausdruck bekommt, wird ihn und den Fragesteller verrückt machen und nie zu einer zufriedenstellenden Antwort führen. Wahrscheinlich weiß er es selbst nicht; er ist nur weit fort, und wenn er in Ruhe gelassen wird, kommt er wieder zurück. Fische teilen sich auf viele Arten wortlos mit; sie brillieren nicht bei Debatten und Verteidigungsreden. Oft sind sie ganz unfähig, sich und ihre Gefühle zu erklären. Sie verlassen sich auf ihr Tastgefühl, die Atmosphäre und fast telepathischen Gedankenaustausch. Der Versuch, sie zu klaren Definitionen und Erklärungen zu zwingen, wird so sein, als hielte man Wasser in der Hand, das durch die Finger rinnt und verschwindet.
Wenn Fische beschrieben werden, tauchen meist Begriffe wie Ausweichen oder Irreführung auf. Aber sie haben nichts mit der kalkulierten Diplomatie des Steinbocks, der beabsichtigten Geheimnistuerei des Skorpions oder den geistigen Turnübungen der Zwillinge zu tun. Wer gleichzeitig dreißig Dinge sieht, kann eben nicht ein einzelnes erklären. Besonders dann nicht, wenn der andere gar nicht begreift, wie das ist, dreißig auf einmal zu sehen. Und mit den widersprüchlichen Gefühlen ist das nicht anders. Wie soll man erklären, wie es ist, jemanden gleichzeitig zu hassen und zu lieben, wenn alles schön und häßlich zugleich ist, wenn alles sich wandelt und verändert und ständig neue Formen annimmt? Aus diesen und tausend anderen Gründen ist ein Fisch ein nicht festlegbarer Partner. Man muß seine Gefühle nehmen und gehen lassen, wie sie kommen. Jeder Versuch, sie zu definieren und in feste Formen einzufrieren, ist vergeblich. Viele Partner werden von den Fischen verletzt; nicht weil dieses Zeichen kalt und gefühllos wäre, sondern weil sie eine konventionelle, gradlinige Liebeserklärung erwarten wie: Ich liebe dich, ich werde dich immer lieben, und dabei bleibt es. Ein solcher Satz ist für den Fisch einfach lächerlich, wo er doch weiß, daß Liebe ein veränderlicher Zustand ist, daß sie viele Deutungen hat, die sich immer ändern, daß alles relativ ist, daß sich die Zukunft nicht planen läßt und so weiter ...
Wer genug über die Welt und sich selbst weiß, um Bewegung dem Stillstand vorzuziehen, für den kann das Sichtreibenlassen im Strom der Gefühle des Fisches die heilendste und regenerierendste Beziehung sein, die er jemals finden wird. Man muß sich nur hüten, die Träume des Fisches zu zerstören, und nie glauben, ihn völlig zu verstehen. Denn gerade wenn man das tut, verwandelt er sich. Unerforschte Gebiete und unbestiegene Gipfel, eine in Nebel gehüllte Zukunft, die sich verlockend anhört, und Zauberschlösser voller verborgener Schätze, das alles bietet der Fisch. Man darf nur nie glauben, es mit einer einzigen Person zu tun zu haben. Ein Querschnitt durch sämtliche Menschen, das ist er. Gibt es einen besseren Weg, Lebenserfahrungen zu sammeln?
Der Fische-Mann
Die Fische sind ein stark weibliches Zeichen, was ihre Neigung zu Gefühlen, die Phantasie, die Weichheit und das Mitgefühl anbetrifft. Andererseits sind Fische-Männer extrem maskulin. Die Kombination, ein Mann und ein Fisch zu sein, ist nicht ganz bequem, was hauptsächlich an unseren kollektiven Zwängen und sozialen Erwartungen liegt.
Unter den Fische-Männern gibt es sehr viele, die ihrem Typ entkommen wollen. Manche von ihnen laufen entsetzt vor der unterseeischen Tiefe ihrer Visionen davon, retten sich in eine extreme, zerbrechliche Art von Rationalität, die Statistiken, Definitionen und Beweise zu ihrem Schutz verlangt. Sie sind die dogrnatischen, materialistischen Wissenschaftler, die das bei anderen ausmerzen wollen, was sie bei sich selbst fürchten. Sie dulden keine Gefühlsseligkeiten, können keine Launen anderer ertragen, weil die eigenen sie zu überwältigen drohen. Wenn aber ein Fische-Mann den Mut hat, die eigene Verwundbarkeit anzuerkennen und zu sehen, daß sie sehr gut neben seiner Männlichkeit existieren kann, hat man ein seltenes Exemplar seiner Gattung vor sich. Wenn er dann noch fähig ist, seine Männlichkeit zu bewahren, ohne in sein unterseeisches Fluchtgebiet zu entweichen, hat man sogar den Helden vieler Bücher und Filme vor sich, den Antihelden, den sanften Kämpfer und gefühlvollen Liebhaber. Dieses Zeichen steht vielleicht dem modernen Mythos des Mannes näher als jedes andere, weil es eine so merkwürdige Verbindung des Männlichen und Weiblichen darstellt. Der Fische-Mann, der das auslebt, hat ein Charisma an sich, das ihn sowohl für Männer als auch für Frauen faszinierend macht.
Leider aber fallen weitaus mehr Fische-Männer in die Extreme. Wir haben schon den Rationalisten erwähnt, der es haßt, ein Fisch zu sein, und verzweifelt versucht, die eigene Sensitivität zu verbergen. Sein Gegenstück ist der Mann, der starke Frauen liebt, besonders die, die ihn finanziell unterstützen können, die ihn umsorgen, während er das halbvollendete literarische Meisterwerk schreibt oder über den Beruf nachdenkt, den er nie ergreifen wird. Er tritt auch als das passive Opfer auf, ausgenützt und betrogen von einer kalten, brutalen Frau, sucht nach Mitleid und Sympathie und appelliert mit aller Kraft an die mütterlichen Instinkte einer armen, törichten Frau, die sein romantisches Gerede für Zärtlichkeit und Gefühl hält. Das sind die pathetischen Fische, deren Frauen und Geliebten zwangsläufig frustriert werden und wider ihren Willen fast immer die Rolle des Mannes spielen müssen. Viele dieser Fische-Männer suchen nach Frauen der starken Zeichen wie Löwe, Widder, Skorpion und Steinbock. Sie haben keine eigene Kraft und suchen sie in der Partnerschaft.
Selten trifft man einen neutralen Fische-Mann. Er fällt meist in das eine Extrem oder in das andere. Für beide Extremfälle aber ist es das wichtigste, verstanden zu werden. Sein Zeichen steht nicht für starke physische Leidenschaft, sondern mehr für Sinnlichkeit Das Weib an den Haaren in seine Höhle zu schleppen, paßt nicht zum Fisch. Sein Stil ist vielmehr, ein warmes, herzliches Gespräch anzufangen und sich dann von gutem Wein, sanfter Musik, Samt und Seide und verführerischer Unterwäsche verlocken zu lassen. Der Fisch fühlt sich als passiver Geliebter ebenso wohl wie als aktiver Liebhaber. Das entspricht seiner Art von Männlichkeit. Oft macht er sich zum Komiker, zum Clown oder zum Opfer, weil er weiß, wie viel er durch Sympathie und Einfühlungsvermögen erreicht. Frauen beschützen ihn gern, obwohl er sich ausgesprochen gut selbst schützen kann. Nur ist es nicht in seinem Interesse, sie das wissen zu lassen.
Wenn man ihm vertraut, wird er sich von der besten Seite zeigen. Sieht man aber nur seine Schattenseiten, wird es ihm höllisch schwer, sich selbst zu vertrauen. Er selbst traut sich sowieso nicht über den Weg; er braucht das Vertrauen und die Treue eines anderen Menschen, um sich wirklich selbst trauen zu können. Beschuldigt man ihn irgendeiner Tat, wird er sich fröhlich aufmachen, sie auch zu begehen, nur um der Welt den Gefallen zu tun. Seine Art zu kämpfen ist nicht die, sich frontal zu stellen, sondern sich so weit zurückzubeugen, daß der Angreifer auf die Nase fällt. Auch Impotenz ist eine seiner Kampfmethoden. Hierbei drückt sich die weibliche Seite des Zeichens sehr stark aus. Passiver Widerstand ist eine Technik, die den Fischen besonders liegt.
Trotz allem läßt sich der Fische-Mann keineswegs leicht beherrschen. In seiner Welt existieren Beherrschung und Unterwerfung nicht. An der Oberfläche spielt er den Fügsamen, weil es leichter ist und weil er es oft nicht für nötig hält, sich bis aufs Blut zu wehren. Unter dieser fügsamen Oberfläche will er auch nicht beherrschen; er will nur in Ruhe gelassen werden. Versucht man zu dominieren, steht man plötzlich mit leeren Händen da. Er ist einfach fortgeschwommen.
Eine Frau, die sich scheut, selbst Entscheidungen zu treffen, wählt besser keinen Fische-Mann. Aber wer gern die Hosen anhat ebenfalls nicht. Kein Versprechen und kein Ehevertrag bedeuten ihm etwas, wenn die Grundwerte der Beziehung mißachtet worden sind. Und so etwas durchschaut er sehr schnell. Am nächsten Morgen ist er einfach nicht mehr da. Kein Brief, kein Anruf - er ist fort. Wie ein Fisch.
Für eine Beziehung, die der Idealvorstellung der sogenannten emanzipierten Frau nahe kommt, ist der Fische-Mann am besten von allen Tierkreiszeichen geeignet. Da er selbst so gefühlsbetont ist, besitzt er fast immer ein ausgeprägtes Einfühlungsvermögen in Frauen. Er kommt auch meistens besser mit ihnen aus als mit Männern. Sein tiefes Verständnis der menschlichen Natur verbietet ihm, in einer Partnerin nur die Haushälterin oder ein Sexobjekt zu sehen. Für ihn muß es der Mensch sein.
Die Fische-Frau
Sie ist geheimnisvoll, sanftmütig, mitfühlend, von nicht faßbarem Charme und einer vielsagenden Schweigsamkeit. Die Fische-Frau ist wahrscheinlich der Archetyp des Weiblichen. Die schöne, liebreizende Prinzessin aus dem Märchenschloß, die auf den Prinzen wartet, der sie retten, verehren und beschützen wird, ist nach dem Bild der Fische-Frau gemacht. Denn sie hat die einmalige Fähigkeit, einem Mann das Gefühl zu geben, besonders männlich zu sein, weil sie so oft nach Schutz, Liebe und Zärtlichkeit verlangt. Durch die so wandelbare Spannweite und Tiefe ihrer Gefühle macht sie häufig den Eindruck, sich noch nicht voll entwickelt zu haben. Angehende oder Möchtegern-Künstler reagieren auf sie wie Pygmalion. Sie glauben, sie nach ihrem Wunsch formen zu können. Damit haben sie teilweise sogar recht. Denn viele Fische-Frauen haben im Überfluß Wesenszüge wie Hingabe, Sanftmut und Weichheit. Aber Wachs in den Händen anderer ist die Fische-Frau deshalb nicht.
Wie der Fische-Mann ist auch sie unauslotbar, und ihre Seele liegt in Tiefen, in die niemand vordringen kann. Obwohl sie gern gefallen möchte und nicht zu Wortgefechten neigt, kann auch sie sich jederzeit durch Untertauchen verteidigen. Eben war sie noch da, schon ist sie weg. Sie kann physisch verschwinden, meistens mit einem Liebhaber, aber viel eher wird sie physisch anwesend sein und psychisch in ihr unterseeisches Reich eintauchen oder sich in der Phantasie einem anderen zuwenden.
Romantische Liebe spielt bei der Fische-Frau eine große Rolle. Sie erwartet und braucht Poesie, Zärtlichkeit und den einer Märchenprinzessin angemessenen Stil. Erhält sie das nicht, treibt man sie entweder zu einem anderen Mann oder zum Rückzug in sich selbst, wo sie sich vielleicht in eine Märtyrerin verwandelt. Gibt man ihr aber, was sie braucht, dann wird die Prinzessin zur Königin. Das klingt sehr einfach, scheint für viele Männer jedoch erstaunlich schwer zu sein, vor allem, weil die Fische-Frauen als Wasserzeichen die Luftzeichen-Männer anziehen, die ihre Partnerin mit glitzerndem Verstand beeindrucken wollen und Gefühlsäußerungen erwarten, die sie auch gibt. Aber diese Männer merken nicht, daß auch sie Gefühle äußern müssen.
Eine unzufriedene Fische-Frau wird ungehemmt betrügen. Es genügt nicht, sie gut zu behandeln. Man muß mit ihr in ihre Träume eintauchen. Ihre theatralische Ader ist stark ausgeprägt. Die Fische-Frau hat eine fabelhafte Begabung, in schreckliche Schwierigkeiten zu geraten und unlösbare Krisen heraufzubeschwören. Dann fragt sie alle ihre Freunde um Rat, den sie jedoch nie befolgt, weil ihr Verlangen, zu leiden und sich zu opfern, durch solche Krisen gestillt wird. Sie ist ein wahrhaft verwirrendes Wesen.
In reiferen Jahren aber verleiht ihr das Mitgefühl, das daher rührt, daß sie die Kehrseite fast aller Dinge gesehen hat, eine Ausstrahlung und eine Tiefe, die man in frühen Jahren kaum an ihr vermutet. Dann wird die weise Frau sichtbar, mit der enormen instinktiven Klugheit und der ganzen menschlichen Einsicht, die dieses letzte Zeichen des Tierkreises besitzt. Oft ist sie wie ein Medium, das sich vor dem Leben schützen muß, weil seine Gaben so zweifelhaft und so schwer zu tragen sind. Oder sie hat viel von einer Hexe an sich. Ob sie Gutes oder Böses tut, hängt davon ab, wie sehr und wie schwer ihr zugesetzt worden ist. Eine auf ihrer Schattenseite lebende Fische-Frau ist ein Vampir, der von der Phantasie anderer lebt und ihnen alle Kraft nimmt.
Man sollte eine Fische-Frau nie unterschätzen, weil sie sich vielleicht nicht so gut ausdrücken kann oder keine Erklärungen über sich selbst abgeben will. Sie ist eine rätselvolle Frau, tief wie das Meer. Sie zu lieben, heißt das Meer lieben, mit all seinen Stimmungen und Verwandlungen, seinem Aufruhr und seiner Stille, seiner Zerstörungswut und seiner Schönheit.