Gefunden in den STUTTGARTER NACHRICHTEN
Artikel von Bernd Heiden
200.000 Euro gegen den bösen Fluch
Stuttgart - Eine Wahrsagerin muss sich vor dem Stuttgarter Landgericht wegen schweren Betrugs in 93 Fällen verantworten. Sie soll drei Frauen und einem Mann übernatürliche Kräfte vorgegaukelt und so insgesamt 212.000 Euro erschlichen haben.
"Haben sie übernatürliche Kräfte?", fragt der Vorsitzende Richter der 18. Strafkammer die 35-Jährige. "In meiner Weise ja", antwortet die Kölnerin mit serbischer Staatsangehörigkeit und dem Künstlernamen Maria, die sich der Lebensweise und dem Ritus der Roma verpflichtet fühlt. Ihre Art von Übernatürlichkeit will sie beschränkt sehen auf Handlesen, Kartenlegen und Beten, mitunter auch ein Fadenspiel. Lösten sich alle fünf Knoten, bedeute das Glück. "Gehen die Knoten manchmal auf, wenn mehr Geld kommt?", fragt der Richter. "Wer weiß?", sagt die Angeklagte.
Auf das Lösen von Knoten im realen Leben haben aber offenbar etliche Menschen gehofft und sich dabei in den Ruin getrieben. Eine wiederkehrende Masche war laut Anklage, Menschen einzureden, auf ihnen und ihren Beziehungen würden Flüche oder Blockaden lasten, die sie gegen Bezahlung beseitigen könnten.
So soll ihr eine Wienerin zwecks Rat bei der Männerwahl - es waren auch Ferrarifahrer unter den Kandidaten - 42.500 Euro bezahlt und dabei ihre Ersparnisse geopfert haben. "Nehme Mann, der Geld hat", habe sie geraten. Druck ausgeübt zu haben, das streitet sie ab. Einer Frau aus Waldenbuch soll die Angeklagte eingeredet haben, ihre Tochter sei vom Teufel besessen. Auch das verneint die reisende Wahrsagerin mit Gewerbeschein. Zwischen ihr und der Waldenbucherin habe sich im Lauf der Monate ein freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Die Waldenbucherin kommt dieses Verhältnis teuer zu stehen: 110.000 Euro, teils finanziert durch Kredite und Auflösung von Lebensversicherungen, überweist sie. 30.000 Euro hat die Angeklagte wieder zurückgezahlt. Das zeitweilige Nettojahreseinkommen der getrennt lebenden Frau mit vier Kindern beträgt laut Gerichtsschätzung 110.000 Euro. Sie sei viel gereist, habe Geld der Verwandtschaft gegeben, aber auch gut gelebt, sagt sie zum Verbleib der Summen.
Immer wieder beteuert sie, es tue ihr leid, zuviel Geld kassiert zu haben. Außer im letzten Fall. Ein Geschäftsmann aus Denkendorf habe eine Liebesbeziehung zu einer Frau, selbst Kundin der Wahrsagerin, angestrebt. Sie verordnete ihm eine spezielle Badekur. So legte er sich mit Rosen und Münzen in die Wanne. Dass sie Kindern des Mannes Flüche andichtete, ihn in die Insolvenz trieb und seiner Angebeteten einen Magendurchbruch ihres Kindes prophezeite, all dies streitet die einschlägig Vorbestrafte ab. Der Prozess wird am 11. März fortgesetzt.
24.02.2009